Mehr Unterstützung für kleinste Wasserkraftwerke – Erfolgreicher Abschluss des «Mantelerlasses» im Parlament
Nach über zweijährigen Verhandlungen im Parlament wurde das «Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» – oder auch einfach «Mantelerlass» genannt – in der Schlussabstimmung der Herbstsession angenommen. Damit verbessern sich ab 2025 auch für die Kleinwasserkraft die Rahmenbedingungen erheblich. Voraussetzung dafür ist, dass das mittlerweile ergriffene Referendum durch Vertreter des Landschaftsschutzes nicht zustande kommt, beziehungsweise das Gesetz in einer Volksabstimmung (voraussichtlich Sommer 2024) besteht. Die Referendumsfrist läuft bis zum 18. Januar 2024.
Die parlamentarischen Verhandlungen waren stark durch die aktuelle Energiekrise beeinflusst, erforderten aber auch viel Fingerspitzengefühl beim Umgang mit den Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes. Denn – darin sind sich alle Beteiligten einig – das Gesetz wäre in einer Volksabstimmung erfahrungsgemäss nur schwierig zu verteidigen und ein Referendum sollte unbedingt verhindert werden. Trotz vieler Kompromisse resultiert ein Gesetzespaket, welches den Ausbau der erneuerbaren Energien und Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz deutlich stärken wird. Das gilt auch für die Kleinwasserkraft, weshalb wir hier die wichtigsten Änderungen zusammenfassen.
Vergütung der Gestehungskosten bis zu 150 kW Bruttoleistung
Die für die Kleinwasserkraft mit Abstand gewichtigste Änderung findet sich in Art. 15 Abs. 1bis des neuen Energiegesetzes:
Die Vergütung für Elektrizität aus erneuerbaren Energien richtet sich nach dem vierteljährlich gemittelten Marktpreis zum Zeitpunkt der Einspeisung. Der Bundesrat legt für Anlagen bis zu einer Leistung von 150 kW Minimalvergütungen fest. Diese orientieren sich an der Amortisation von Referenzanlagen über ihre Lebensdauer.
Allfällig resultierende Mehrkosten können die Netzbetreiber ihren festen Endverbrauchern verrechnen.
Diese neue Regelung ist erfreulich: Sie ermöglicht nicht nur den Erhalt bestehender Wasserkraftwerke mit Investitionsbedarf, sondern schafft Wasserkraftwerken mit ehehaften Wasserrechten eine Vorwärtsstrategie bei der Konzessionserneuerung. Stilllegungen im Zusammenhang mit der ökologischen Sanierung der Wasserkraft werden eher unwahrscheinlich.
Die neue Förderobergrenze bei 150 kW reduziert andererseits die Übersichtlichkeit der Förderung. Sie kann auch dazu führen, dass bei einigen Projekten das Potenzial nicht voll ausgeschöpft werden wird, um von der Förderung profitieren zu können.
Gemäss EnG kann diese Vergütung auch bei Neuanlagen zur Anwendung kommen. Die Details zur Ausgestaltung der Vergütung sind jedoch noch nicht klar und werden erst in den Verordnungen geregelt. Die untenstehende Übersicht zeigt, wie mit der neuen Förderung der kleinsten Anlagen ein Leistungsbereich ohne jegliche Förderung (grau) entsteht. Neuanlagen wurden aus oben genannten Gründen bewusst nicht in die Grafik aufgenommen.
Weitere Anpassungen:
- Höhere Wasserkraftziele und Möglichkeit zur Reduktion der Restwassermengen
Die Ziele der Produktion aus Wasserkraft werden per 2035 auf 37,9 TWh und per 2050 auf 39,2 TWh angehoben. Bei Pumpspeicherkraftwerken werden nur die natürlichen Zuflüsse angerechnet. Die Importabhängigkeit im Winterhalbjahr soll reduziert werden und netto maximal 5 TWh betragen. Bei einer Mangellage kann der Bundesrat die Restwassermengen auf das gesetzliche Minimum reduzieren. Damit wird für die aus dem letzten Winter bereits bekannte Massnahme eine gesetzliche Grundlage geschaffen. - Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG)
Die neu geschaffenen «Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG) erweitern die Möglichkeiten des bereits bekannten «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» (ZEV) nochmals. Die Teilnehmer einer LEG müssen nicht mehr benachbart sein, sondern sich nur im gleichen Netzgebiet auf der gleichen Netzebene und «örtlich nahe beieinander» befinden (EnG Art. 17d). Die Teilnehmer der LEG können einen reduzierten Netznutzungstarif beanspruchen, mit einem Abschlag für den Bezug der selbst erzeugten Elektrizität. Der Abschlag beträgt maximal 60 Prozent des sonst üblichen Tarifs. - Wahlmöglichkeit zwischen Investitionsbeitrag und gleitender Marktprämie
Alternativ zur bereits bekannten Förderung mit Investitionsbeiträgen kann neu auch eine Förderung mittels gleitender Marktprämie gewählt werden. Die Höhe der gleitenden Marktprämie orientiert sich dabei auch hier an den Gestehungskosten, die bei der Inbetriebnahme einer Anlage massgeblich und angemessen sind. Für einzelne Technologien kann sich der Vergütungssatz an den Gestehungskosten von Referenzanlagen orientieren. Übersteigt der Referenzmarktpreis den Vergütungssatz (wie dies zuletzt auch beim Einspeisevergütungssystem der Fall war), steht der übersteigende Teil dem Netzzuschlagfonds zu. Ist dies in den Monaten Dezember bis März der Fall, darf der Betreiber 10 bis 40% des übersteigenden Teils einbehalten.
Wie weiter?
Wie bereits eingangs erwähnt, ist primär abzuwarten, ob das Referendum gegen den «Mantelerlass» zustande kommt. Unabhängig davon beschäftigt sich die Bundesverwaltung bereits heute mit der Ausarbeitung der Details auf Verordnungsstufe. Die Veröffentlichung des Vernehmlassungsentwurfs wird im Frühjahr 2024 erwartet.
Links
Text: Martin Bölli, Swiss Small Hydro. In leicht abgeänderter Form auch im EnergieSchweiz NL Kleinwasserkraft (Nr.51) und in Petite Hydro N°109 veröffentlicht.
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